Deutschland nur noch Platz 15 bei OECD-Studie zu Arbeitsmigration
- Isabelle Manoli

- 23 hours ago
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Laut einer neuen OECD-Studie verliert Deutschland als Ziel von Arbeitnehmermigration an Attraktivität. Der drastische Rückgang der Erwerbsmigration nach Deutschland in den Jahren 2024 und 2025 ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer strukturellen Krise. Während Wirtschaft und Politik seit Jahren betonen, wie dringend das Land auf ausländische Fachkräfte angewiesen ist, hat sich die Realität in eine andere Richtung entwickelt. Die Zahl der Arbeitsmigranten ist um 32 Prozent eingebrochen – ein historischer Rückgang, der Fragen nach der tatsächlichen Attraktivität des Standorts Deutschland aufwirft.
Die politische Rhetorik vermittelt ein widersprüchliches Bild. Einerseits betont die Bundesregierung die Notwendigkeit qualifizierter Einwanderung, andererseits werden Signale gesendet, die eher abschreckend wirken. Dabei wäre gerade in einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung eine stabile Arbeitsmigration unverzichtbar. Dennoch sinken die Zahlen, und zwar stärker als in den meisten anderen OECD-Staaten.
Rezession, Unsicherheit und fehlende Willkommenskultur
Ein zentraler Grund für die zurückgehende Erwerbsmigration ist die wirtschaftliche Entwicklung. In einer Phase der Rezession verliert Deutschland für internationale Fachkräfte spürbar an Attraktivität. Wer mobil ist und weltweit wählen kann, entscheidet sich eher für wirtschaftlich dynamische Standorte, an denen Jobchancen stabil, Einkommen wettbewerbsfähig und Standortfaktoren verlässlich sind.
Gleichzeitig ist die generelle Stimmung gegenüber Einwanderung ambivalent. Internationale Migranten nehmen sehr genau wahr, wenn politische Akteure migrationsskeptische Botschaften senden oder Sicherheitsthemen mit Einwanderung verknüpfen. Eine konsistente und glaubwürdige Willkommenskultur sieht anders aus. Während klassische Einwanderungsländer aktiv um Talente werben, kämpft Deutschland noch immer mit innenpolitischen Debatten, die häufig über die Köpfe der Zuwanderungswilligen hinweg geführt werden (siehe etwa nur Auffassung von Experten zur bisherigen Migrationsbilanz in Deutschland oder zur sogenannten “Work-and-Stay-Agentur”).
Lange Verfahren und schwache Verwaltung: Ein Standortnachteil
Zu den bedeutendsten Hemmnissen gehört die Verwaltungspraxis. Die Vergabe von Aufenthaltstiteln dauert vielerorts mehrere Monate, teilweise mehr als ein Jahr. Im internationalen Vergleich ist das ein gravierender Wettbewerbsnachteil.
Die OECD verweist ausdrücklich darauf, dass Verzögerungen bei Aufenthaltstiteln einer der maßgeblichen Gründe für den Rückgang der Erwerbsmigration sind. Internationale Unternehmen berücksichtigen diese Faktoren zunehmend und entscheiden sich eher für Länder, in denen Visa- und Anerkennungsverfahren planbar und digitalisiert ablaufen.
Deutschland hingegen gilt als „sehr bürokratisch und vor allem langsam“. Das Zuwanderungsrecht ist stark sicherheits- und innenpolitisch geprägt und zu wenig wirtschaftsorientiert. Für kleine und mittelständische Unternehmen ist der Aufwand häufig größer als der Nutzen – mit der Folge, dass sie von der Rekrutierung im Ausland absehen.
Geringe Gehälter und hohe Lebenshaltungskosten
Ein weiterer struktureller Faktor ist das Lohnniveau. In vielen Branchen bezahlen deutsche Arbeitgeber im internationalen Vergleich niedrigere Gehälter – bei gleichzeitig hohen Lebenshaltungskosten, insbesondere in Großstädten. Für Fachkräfte, die Angebote aus mehreren Ländern vergleichen, wirkt Deutschland häufig nicht mehr konkurrenzfähig genug.
Die Diskrepanz verstärkt sich zusätzlich, wenn Anerkennungsprozesse lange dauern oder Zuwandernde zunächst Tätigkeiten aufnehmen müssen, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen. In solchen Fällen entscheiden sich viele Migranten nach kurzer Zeit zur Weiterwanderung in andere europäische Staaten.
Fehlende Reformwirkung: Gesetzesänderungen ohne praktischen Effekt
Trotz zahlreicher Reforminitiativen – vom Fachkräfteeinwanderungsgesetz bis zur Chancenkarte – kommt in der Verwaltungspraxis wenig davon an. Bereits 2023 wurde im Bundestag darauf hingewiesen, dass die geplanten Gesetzesänderungen kaum zu einer Steigerung der Zuwanderungszahlen führen würden. Heute bestätigt sich diese Einschätzung. Der Grund: Solange die Verfahren nicht schneller, digitaler und verlässlicher werden und solange die Arbeitsbedingungen für Zuwandernde nicht konkurrenzfähig sind, bleibt jede Gesetzesreform auf dem Papier wirkungslos.
Einwanderungsland oder Auswanderungsland?
Der Einbruch der Arbeitsmigration ist eine Folge multipler Faktoren: einer geschwächten Wirtschaft, einer überlasteten und unterdigitalisierten Verwaltung, politisch widersprüchlicher Signale, geringer Löhne, erschwerter Anerkennungsverfahren und mangelnder Planungssicherheit. Deutschland wird seinen Bedarf an qualifizierten Fachkräften nur decken können, wenn es die strukturellen Ursachen adressiert. Ein reines Marketingproblem liegt nicht vor – es handelt sich um eine grundlegende Standortfrage. Wenn Deutschland langfristig wirtschaftlich stabil bleiben will, muss die Migrationspolitik neu gedacht werden: mit echten Reformen, effizienten Verwaltungsstrukturen, klaren politischen Signalen und einer Einwanderungspolitik, die sich an den globalen Realitäten orientiert.


