Fallstudie: Blaue Karte EU (Qualifikationszusammenhang)

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A. Sachverhalt
Was war geschehen?
Der Mandant, ein hochqualifizierter Analyst aus dem Vereinigten Königreich, sollte eine Tätigkeit im Bereich Compliance bei einem Finanzdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Frankfurt am Main aufnehmen. Der von ihm bei der Deutschen Botschaft in London gestellte Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zweck der Beschäftigung unter Inanspruchnahme der Blauen Karte EU (§ 6 AufenthV i.V.m. § 18g AufenthG) wurde abgelehnt. Zur Begründung führte die Botschaft an, es bestehe kein hinreichender Zusammenhang zwischen dem anerkannten Hochschulabschluss des Antragstellers und der vorgesehenen Beschäftigung in Deutschland (sog. Qualifikationszusammenhang, § 18g Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
Nach der Auffassung der Botschaft könne ein Qualifikationszusammenhang nur dann bejaht werden, wenn die im Rahmen des Studiums erworbenen Kenntnisse zumindest mittelbar für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit erforderlich seien. Dies sei vorliegend nicht gegeben, da das abgeschlossene Studium der Informationstechnologie und Mathematik nicht als hinreichende Qualifikation für eine Tätigkeit in der Compliance-Abteilung eines Finanzdienstleistungsunternehmens angesehen werde.
Angesichts der Tatsache, dass es sich um einen hochqualifizierten Arbeitnehmer handelt, dessen kurzfristige Einstellung für das Unternehmen von erheblicher Bedeutung war, beauftragte der Arbeitgeber einen unabhängigen Rechtsanwalt von VISAGUARD mit der rechtlichen Überprüfung und der Einleitung geeigneter Rechtsmittel gegen den ablehnenden Bescheid der Botschaft.
B. Rechtliche Lösung
Wie hat der VISAGUARD-Rechtsanwalt den Fall gelöst?
Unsere mandatierten Rechtsanwälte nahmen umgehend Kontakt zur zuständigen Auslandsvertretung auf und legten Remonstration gegen den ablehnenden Bescheid ein. Infolge dessen wurde das Remonstrationsverfahren eingeleitet. Im Rahmen des Verfahrens trug der beauftragte Rechtsanwalt insbesondere vor, dass nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits eine „mittelbare Befähigung“ zur Begründung des Qualifikationszusammenhangs ausreiche. Es sei demnach nicht erforderlich, dass das absolvierte Studium vollständig auf die ausgeübte Tätigkeit ausgerichtet sei; vielmehr genüge eine zumindest teilweise inhaltliche Schnittmenge zwischen Studium und beruflicher Tätigkeit (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 11. Februar 2021 – 3 A 973/19).
Zur weiteren Substantiierung des Vorbringens wurde das Diploma Supplement des Mandanten vorgelegt, aus dem hervorging, dass der Antragsteller im Rahmen seines Studiums auch vereinzelt juristische Lehrveranstaltungen absolviert hatte. Diese belegten Kenntnisse, ergänzt durch die weiteren Qualifikationen des Mandanten, genügten, um ihn für eine Tätigkeit in der Compliance-Abteilung des Finanzdienstleisters hinreichend zu qualifizieren.
Des Weiteren beantragte der Rechtsanwalt im Wege der Antragserweiterung neben der Erteilung einer Blauen Karte EU auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 18b AufenthG (Aufenthaltstitel für akademische Fachkräfte). Im Gegensatz zur Blauen Karte EU setzt die Aufenthaltserlaubnis nach § 18b AufenthG keinen unmittelbaren Qualifikationszusammenhang zwischen Studium und ausgeübter Beschäftigung voraus. Es genügt insoweit der Nachweis eines anerkannten Hochschulabschlusses, ohne dass ein inhaltlicher Bezug zur konkreten Tätigkeit erforderlich ist.
Im Ergebnis wurde der Remonstration aufgrund der genannten Argumentation des Rechtsanwalts stattgegeben, die Blaue Karte EU erteilt und der Mandant konnte seine Tätigkeit als Compliance Officer beim Finanzdienstleister fristgerecht aufnehmen.
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C. Fazit
Was lässt sich aus dem Fall lernen?
Der vorliegende Fall verdeutlicht eindrücklich, dass die Beantragung eines nationalen Visums ein komplexes und vielschichtiges Verfahren darstellt. Der Visumantrag erschöpft sich nicht in der bloßen Antragstellung, sondern entfaltet seine rechtliche Wirkung insbesondere durch die beigefügten Unterlagen. Zwar verlangen die deutschen Auslandsvertretungen im Regelfall lediglich die Vorlage bestimmter Standarddokumente, jedoch genügt diese Vorgehensweise regelmäßig nicht in Fällen, die von der Norm abweichen.
Es bedarf daher zumindest grundlegender Kenntnisse des Aufenthalts- und Visumsrechts, um im konkreten Einzelfall beurteilen zu können, welche Nachweise zur Substantiierung des Antrags erforderlich sind. Im vorliegenden Verfahren war insbesondere die Vorlage des Diploma Supplements angezeigt, um der Auslandsvertretung die rechtserhebliche Tatsache offenzulegen, dass der Arbeitnehmer im Rahmen seines Studiums juristische Kenntnisse erworben hatte, die er in seiner vorgesehenen Tätigkeit bei dem Finanzdienstleister zur Anwendung bringen würde.
Darüber hinaus erwies sich die ergänzende Antragstellung auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 18b AufenthG als entscheidend. Hintergrund ist, dass die Erteilung einer Blauen Karte EU zwingend einen Qualifikationszusammenhang zwischen Hochschulabschluss und ausgeübter Beschäftigung voraussetzt. Bei einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18b AufenthG hingegen ist ein solcher Zusammenhang entbehrlich; hier genügt der Nachweis eines anerkannten akademischen Abschlusses unabhängig von der konkreten Berufsausübung.
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