Aufenthaltsrecht Türken
Alle Informationen zu Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen für türkische Staatsbürger in Deutschland.

Teilen:

wann türkische Blue Collar Arbeiter eine Arbeitserlaubnis erhalten können
welche Voraussetzungen eine Arbeitserlaubnis für Türken hat (ARB 1/80)
was das türkische Abkommen für Werkvertragsarbeitnehmer ist
welche Besonderheiten bei Türken für die Einbürgerung gelten
1. Türkische Arbeitnehmer in Deutschland
2. Familiennachzug nach dem ARB 1/80
3. Standstill-Klausel ARB 1/80
4. Türkisches Werkvertragsarbeitnehmerabkommen (Blue Collar)
5. Einbürgerung türkische Staatsangehörige (Gastarbeitergeneration)
6. FAQ Visumrecht türkische Staatsangehörige
7. Fazit Visumrecht türkische Staatsangehörige
1. Türkische Arbeitnehmer in Deutschland / Blue Collar aus Türkei
In Deutschland leben momentan etwa 3,2 Millionen Menschen aus der Türkei. Trotzdem ist ca. die Hälfte der in Deutschland lebenden Türken nicht eingebürgert. Das Visums- und Aufenthaltsrecht hat deshalb für die in Deutschland lebenden türkischen Staatsangehörigen eine besondere Bedeutung. Die Türkei ist seit jeher einer der wichtigsten politischen Kooperationspartner des Europäischen Wirtschaftsraums bzw. der Europäischen Union. Dies gilt nicht nur in militärischer Hinsicht, sondern vor allem auch in Bezug auf wirtschaftliche Fragen. Aufgrund der engen politisch-wirtschaftlichen Verzahnung der europäischen Länder mit der Türkei existieren zahlreiche völkerrechtliche Vereinbarungen, die eine wirtschaftliche Zusammenarbeit erleichtern sollen. Dies gilt nicht nur für den Waren- und Kapitalverkehr, sondern auch im Bereich der Arbeitsmigration. Das für die Arbeitsmigration wichtigste Abkommen zwischen Deutschland und der Türkei ist der Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ARB 1/80), welcher türkischen Arbeitnehmern unabhängig von der Qualifikation einen Aufenthalt ermöglicht.
Das ARB 1/80 garantiert verschiedene Aufenthalts- und Arbeitsrechte für Türken in Deutschland. Eigentlich sieht der Wortlaut des ARB 1/80 lediglich vor, dass türkische Arbeitnehmer in Deutschland einen Anspruch auf Erneuerung ihrer Arbeitserlaubnis haben (Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80). Es ist allerdings herrschende Meinung, dass aus dem Arbeitsrecht in Deutschland für Türken auch ein Aufenthaltsrecht folgt, da Arbeiten ohne Aufenthalt in Deutschland denklogisch nicht möglich ist. Gleichzeitig folgt aus dem ARB allerdings kein Recht auf Einreise bzw. ein Visum. Das ARB 1/80 gilt also nur für türkische Arbeitnehmer, die sich bereits in Deutschland aufhalten.
Um eine Arbeitserlaubnis nach ARB 1/80 zu erhalten, muss der Antragsteller zunächst als Arbeitnehmer im Sinne des ARB 1/80 gelten. Dies setzt voraus, dass er eine Tätigkeit für einen Arbeitgeber ausübt, dessen Weisungen unterliegt und dafür eine Vergütung erhält. Entscheidend ist, dass die Tätigkeit nicht nur vorläufig ist, sondern eine ordnungsgemäße Beschäftigung darstellt. Dazu zählen insbesondere eine feste Arbeitszeit, eine festgelegte Vergütung, Urlaubsanspruch sowie eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Ein weiteres zentrales Kriterium ist die Dauer der Beschäftigung. Um überhaupt eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, muss der türkische Arbeitnehmer mindestens ein Jahr legal in Deutschland beschäftigt gewesen sein. Dabei können auch Minijobs als Beschäftigung angerechnet werden, während Zeiten der Selbstständigkeit nicht berücksichtigt werden. Mit steigender Dauer der Beschäftigung erweitern sich die Rechte türkischer Arbeitnehmer in Deutschland. Nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung besteht ein Anspruch auf eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis beim gleichen Arbeitgeber. Nach drei Jahren dürfen türkische Arbeitnehmer in demselben Berufsfeld, jedoch auch bei einem anderen Arbeitgeber, tätig werden. Nach vier Jahren entfällt jede berufliche Einschränkung: Sie dürfen dann in jedem beliebigen Beruf und bei jedem Arbeitgeber in Deutschland arbeiten. Diese Regelungen bieten türkischen Arbeitnehmern eine schrittweise Integration in den deutschen Arbeitsmarkt und gewähren ihnen weitreichende Beschäftigungsrechte. Es ist jedoch entscheidend, die formalen Anforderungen genau zu erfüllen, um die Arbeitserlaubnis nach ARB 1/80 rechtssicher zu erhalten.
2. Familiennachzug nach dem ARB 1/80
Das ARB 1/80 gewährt nicht nur türkischen Arbeitnehmern, sondern auch ihren Familienangehörigen spezielle Rechte in Deutschland. Insbesondere haben auch diese Familienangehörigen ein Aufenthalts- und Arbeitsrecht, wenn sie seit mindestens 3 - 5 Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz in Deutschland mit dem Arbeitnehmer haben (Art. 7 ARB 1/80). Um als Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers die Aufenthalts- und Arbeitsrechte nach dem ARB 1/80 zu erwerben, muss es sich zunächst um einen nachzugsfähigen Familienangehörigen handeln. Wer genau Familienangehöriger im Sinne des ARB 1/80 ist, lässt sich dem Abkommen nicht entnehmen, weshalb für die Definition auf Art. 10 VO 1612/68 zurückgegriffen werden muss. Kinder von türkischen Arbeitnehmern erwerben ein selbständiges Aufenthaltsrecht, wenn sie eine Berufsausbildung abgeschlossen haben und ein Elternteil mindestens 3 Jahre in Deutschland gearbeitet hat.
3. Standstill-Klausel ARB 1/80
Eine Besonderheit des Aufenthaltsrechts nach dem ARB 1/80 ist, dass die Rechte nach dem Assoziationsabkommen nicht verschlechtert werden dürfen. Nach Art. 7 ARB 2/76 dürfen Türken in Deutschland nämlich keine neuen Beschränkungen auferlegt werden (siehe auch Art. 13 ARB 1/80). Dementsprechend dürfen türkischen Arbeitnehmern keine abstrakt-formellen Vergünstigungen entzogen werden (z.B. durch Verwaltungsvorschriften, Erlasse und Verwaltungspraktiken). Dies gilt lediglich dann nicht, wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses einen Verstoß gegen die Standstill-Klausel erfordern. Entsprechende Maßnahmen müssen allerdings gut begründet werden und erfordern eine Einzelfallprüfung.
Suchen Sie einen Rechtsanwalt im deutschen Immigrations- und Visumsrecht? Wir unterstützen Sie gern in Aufenthaltsverfahren vor den Botschaften, Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten. Kontaktieren Sie uns, um einen Online-Termin mit einem deutschen Rechtsanwalt für Migrationsrecht zu buchen!
4. Türkisches Werkvertragsarbeitnehmerabkommen (Blue Collar)
Eine weitere Besonderheit gilt im Bereich des Aufenthaltsrecht für türkische Unternehmen und Arbeitgeber, die eine Niederlassung in Deutschland und in der Türkei haben (Konzern). Die Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Türkei über die Beschäftigung von Arbeitnehmern türkischer Unternehmen zur Ausführung von Werkverträgen bestimmt, dass türkischen Arbeitnehmern für eine vorübergehende Entsendung ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann (Art. 1 Abs. 1 des Abkommens; siehe dazu auch ICT-Karte). Die Arbeitserlaubnis wird für eine bestimmte berufliche Tätigkeit zur Ausführung eines bestimmten Werkvertrags erteilt. In begründeten Ausnahmefällen wird die Arbeitserlaubnis für mehrere Werkverträge erteilt. Diese Regelungen können eine erhebliche Erleichterung darstellen, da im Gegensatz zum übrigen Fachkräfteeinwanderungsrecht keine oder nur eine geringe Qualifizierung für die Erteilung der Arbeitserlaubnis erforderlich ist. Dies macht das türkisches Werkvertragsarbeitnehmerabkommen insbesondere im Bereich Hoch- und Tiefbau (Blue Collar Arbeitnehmer) sehr attraktiv für Arbeitgeber.
Die Arbeitserlaubnis wird für die voraussichtliche Dauer der Arbeiten zur Erfüllung des Werkvertrags erteilt. Die Höchstdauer der Arbeitserlaubnis beträgt in der Regel zwei Jahre. Steht von vornherein fest, daß die Ausführung des Werkvertrags länger als zwei Jahre dauert, wird die Arbeitserlaubnis bis zur Höchstdauer von drei Jahren erteilt. Nach Fertigstellung eines Werks kann zur Ausführung eines anderen Werkvertrags auf Antrag eine neue Arbeitserlaubnis im Rahmen der zugelassenen Höchstdauer von zwei Jahren erteilt werden. Einzelnen Arbeitnehmern mit führender oder Verwaltungstätigkeit (z.B. Vorarbeiter) wird die Arbeitserlaubnis bis zu einer Höchstdauer von vier Jahren erteilt.
5. Einbürgerung türkische Staatsangehörige (Gastarbeitergeneration)
Eine weitere Besonderheit für türkische Staatsangehörige gilt für die sogenannte “Gastarbeitgeneration”. Die Gastarbeitergeneration umfasst jene Menschen, die zwischen 1955 und 1974 aufgrund staatlicher Anwerbeabkommen als Arbeitskräfte in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind – sowie Vertragsarbeitnehmer, die bis 1990 in die ehemalige DDR kamen. Viele dieser Personen haben mit ihrer Arbeit maßgeblich zum wirtschaftlichen Aufbau Deutschlands beigetragen, oft unter schwierigen Bedingungen. Um diese Lebensleistung anzuerkennen, sieht das Staatsangehörigkeitsrecht heute besondere Erleichterungen bei der Einbürgerung vor. Wer aufgrund eines solchen Abkommens eingereist ist oder als Ehegatte innerhalb von drei Jahren nachgezogen ist, gilt als Teil dieser Gastarbeitergeneration und kann unter erleichterten Voraussetzungen eingebürgert werden.
Kern dieser Erleichterungen ist der Verzicht auf die Sicherung des Lebensunterhalts, wenn der Leistungsbezug nicht selbst verschuldet ist. Das bedeutet: Bezieht ein Einbürgerungsbewerber etwa Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII aufgrund von gesundheitlichen, betriebsbedingten oder konjunkturellen Umständen und hat er sich ernsthaft um Arbeit bemüht, steht dies der Einbürgerung grundsätzlich nicht entgegen. Entscheidend ist der historische Kontext: Viele Angehörige der Gastarbeitergeneration haben Jahrzehnte in Deutschland gearbeitet, ohne irgendwann die Möglichkeit einer gesicherten Einbürgerung gehabt zu haben. Mit den heutigen Regelungen würdigt der Gesetzgeber dieses Engagement und schafft eine realistische Chance auf den nachträglichen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit.
Suchen Sie einen Rechtsanwalt im deutschen Immigrations- und Visumsrecht? Wir unterstützen Sie gern in Aufenthaltsverfahren vor den Botschaften, Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten. Kontaktieren Sie uns, um einen Online-Termin mit einem deutschen Rechtsanwalt für Migrationsrecht zu buchen!

6. FAQ Blue Collar Arbeiter Türkei
Was ist das ARB 1/80 und welche Rechte vermittelt es türkischen Arbeitnehmern?
Das ARB 1/80 ist ein Beschluss des EWG-Türkei-Assoziationsrats von 1980. Es gewährt türkischen Arbeitnehmern nach einem Jahr legaler Beschäftigung ein Aufenthaltsrecht und eine Arbeitserlaubnis in Deutschland – auch ohne qualifizierten Abschluss. Mit der Dauer der Beschäftigung erweitern sich diese Rechte schrittweise.
Muss ich als türkischer Arbeitnehmer eine Aufenthaltserlaubnis beantragen?
Ja, auch türkische Arbeitnehmer müssen eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Zwar ist diese lediglich deklaratorisch, allerdings besteht trotzdem eine entsprechende Titelpflicht (siehe § 4 Abs. 2 AufenthG).
Zählt das ARB 1/80 als unbefristetes Aufenthaltsrecht im Sinne der Einbürgerungsvorschriften?
Ja, das ARB 1/80 zählt unter Umständen als unbefristetes Aufenthaltsrecht. Eine Einbürgerung für türkische Staatsangehörige auf Grundlage des ARB 1/80 ist also möglich.
Darf ich während eines Arbeitsaufenthalts als türkische Staatsbürger mit dem ARB 1/80 auch studieren?
Ja, das Studium und eine parallele Arbeit ist möglich, um die Rechte nach dem ARB 1/80 zu erwerben.
Kann das Arbeits- und Aufenthaltsrecht für türkische Arbeitnehmer (ARB 1/80) erlöschen?
Ja, die Rechte aus dem ARB 1/80 erlöschen, wenn das Bundesgebiet verlassen wird oder wenn der türkische Arbeitnehmer gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstößt (Art. 14 ARB 1/80).
Welches Normhierarchieverhältnis gilt in Deutschland hinsichtlich des ARB 1/80?
Dadurch, dass der ARB 1/80 auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruht, bricht er die nationalen Gesetze Deutschlands (Völkerrecht steht über nationalem Recht).
7. Fazit Blue Collar Arbeiter Türkei
Die aufenthalts- und arbeitsrechtlichen Sonderregelungen für türkische Staatsangehörige zeigen deutlich, wie stark die migrationspolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei historisch gewachsen ist. Mit dem ARB 1/80 besteht ein komplexes, aber zugleich großzügiges Schutzsystem, das türkischen Arbeitnehmern und ihren Familien eine verlässliche Perspektive in Deutschland ermöglicht. Ergänzend dazu erleichtert das Werkvertragsarbeitnehmerabkommen die vorübergehende Entsendung türkischer Beschäftigter für konkrete Projekte, insbesondere im Bau- und Industriebereich, und schafft dadurch weitere Wege der legalen Erwerbstätigkeit. Besonders sichtbar wird die Wertschätzung gegenüber türkischen Migrantinnen und Migranten jedoch in den Einbürgerungserleichterungen für die Gastarbeitergeneration. Sie würdigen die enorme wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufbauleistung dieser Menschen und ermöglichen ihnen heute – vielfach erstmals – einen realistischen Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit, selbst wenn der Lebensunterhalt nicht vollständig gesichert ist. Insgesamt zeigt sich: Das Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht hält für türkische Staatsangehörige ein breites Spektrum an Rechten bereit, das sowohl historische Verantwortung als auch die bis heute bestehende enge Verbindung zwischen Deutschland und der Türkei widerspiegelt.
Das könnte Sie auch interessieren
Weiterführende Informationen
Quellenverzeichnis (Paywall)
[1] NK-AuslR/Hofmann/Oberhäuser Assoziationsrecht EU-Türkei
[2] NK-AuslR/Hofmann/ Cziersky-Reis Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.9.1963
[3] zur Sprachzertifikatspflicht für türkische Staatsangehörige bei der Beantragung einer Niederlassungserlaubnis siehe BVerwG, Urteil vom 28.04.2015 - 1 C 21.14
[4] zur Anwendung des ARB 1/80 auf Au-Pairs und Studenten siehe EuGH, Urteil vom 24.01.2008, Az. C-294/06
[5] zum notwendigen Umfang der Tätigkeit für die Anwendung des ARB 1/80 siehe VG Bremen, Urteil vom 26.03.2012, Az. 4 K 1487/10
[6] Visumhandbuch, Türkische Staatsangehörige (Dienstleistungserbringung), 68. Ergänzungslieferung, Stand: 07/2018
[7] Europäisches Niederlassungsabkommen v. 13.12.1955, BGBl. 1959 II, 997
