Selbstständig mit der Blauen Karte EU – Was erlaubt ist und worauf Sie achten müssen
- VG3
- vor 8 Stunden
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Die Blaue Karte EU ist für viele qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten der beste Aufenthaltstitel, um in Deutschland leben und arbeiten zu können. In der Praxis ist die Blaue Karte EU deshalb sehr beliebt. Doch was ist, wenn man als IT-Spezialist, Ingenieur oder Wissenschaftler nicht nur angestellt arbeiten, sondern auch nebenberuflich selbstständig mit der Blauen Karte EU tätig sein möchte? Diese Frage beschäftigt viele Ausländer, die in Deutschland mit einem D-Visum eingereist sind und nun langfristige Pläne verfolgen. In diesem Beitrag erklären wir, was rechtlich möglich ist, wie sich die Praxis der Ausländerbehörden in verschiedenen Städten unterscheidet – und warum Sie vor allem dann vorsichtig sein sollten, wenn in Ihrem Aufenthaltstitel nur die „Beschäftigung“ erlaubt ist.
1. Ist Selbstständigkeit mit der Blauen Karte EU erlaubt?
Viele Inhaber einer Blauen Karte EU stellen sich früher oder später die Frage: Darf ich in Deutschland neben meinem Job auch selbstständig tätig sein? (z.B. als IT-Freelancer, freiberuflicher Berater oder Dozent). Die Antwort ist juristisch komplizierter als gedacht. Der Begriff „Beschäftigung“ in § 18g AufenthG bedeutet nämlich nicht automatisch, dass man auch selbstständig arbeiten darf. Im deutschen Aufenthaltsrecht wird nämlich gemäß § 2 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 7 SGB IV unterschieden zwischen:
Beschäftigung (abhängige Tätigkeit, also ein Job mit Arbeitsvertrag) und
Erwerbstätigkeit (also die selbstständige Tätigkeit).
Das bedeutet: Wer nur die Erlaubnis zur „Beschäftigung“ in seinem Aufenthaltstitel hat, darf nicht automatisch selbstständig arbeiten. In vielen Fällen ist die Blaue Karte EU daher mit einer Nebenbestimmung versehen, etwa: „Beschäftigung bei Firma X als Y erlaubt“. Damit ist ausschließlich die Tätigkeit als Angestellter gemeint – freiberufliche oder gewerbliche Nebentätigkeiten sind damit ausgeschlossen. Zunächst gilt also: Die selbstständige Tätigkeit ist mit der Blauen Karte EU nicht erlaubt.
2. Wann kann eine Selbstständigkeit dennoch erlaubt werden?
Trotz dieser Einschränkung ist es in bestimmten Fällen möglich, auch selbstständig mit der Blauen Karte EU tätig zu sein. Der Schlüssel hierzu liegt in den Nebenbestimmungen Ihres Aufenthaltstitels. Die Ausländerbehörde hat nämlich die rechtliche Möglichkeit, statt nur die Beschäftigung auch die gesamte Erwerbstätigkeit zu erlauben. In diesem Fall würde im elektronischen Aufenthaltstitel unter „Anmerkungen“ stehen: „Erwerbstätigkeit erlaubt“.
Die rechtliche Grundlage für die Erlaubnis einer selbstständigen Tätigkeit mit einer Blauen Karte EU findet sich in § 21 Abs. 6 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Dort heißt es:
„Einem Ausländer, dem eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck erteilt worden ist, kann unter Beibehaltung dieses Aufenthaltszwecks die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erlaubt werden.“ Das bedeutet: Auch wenn die Blaue Karte eigentlich für eine abhängige Beschäftigung gedacht ist, kann die Behörde zusätzlich eine selbstständige Tätigkeit genehmigen – z.B. im Nebenberuf. Aber Achtung: Diese Genehmigung erfolgt nicht automatisch. Wer selbstständig tätig werden will, muss in den meisten Fällen einen gesonderten Antrag bei der Ausländerbehörde stellen.
3. Sonderfall Berlin: Selbstständig mit der Blauen Karte EU – automatisch erlaubt?
Eine interessante Ausnahme zu dem Selbstständigkeitsverbot für Inhaber einer Blauen Karte stellt die Praxis der Berliner Ausländerbehörde dar. Das Landesamt für Einwanderung (LEA) in Berlin trägt bei Inhabern der Blauen Karte EU in der Regel automatisch die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit ein. Das bedeutet, dass man in Berlin mit der Blauen Karte sowohl angestellt als auch selbstständig arbeiten darf, ohne einen zusätzlichen Antrag stellen zu müssen. Dafür muss allerdings im Anmerkungsfeld der Plastikkarte “Erwerbstätigkeit erlaubt” stehen. Dies sollte unbedingt vorher kontrolliert werden.
Zwar wird diese Praxis der Berliner Ausländerbehörde von Fachjuristen zum Teil als rechtlich fragwürdig bewertet – für die Betroffenen bringt sie aber nur Vorteile. Denn in der Hauptstadt ist es damit deutlich einfacher, auch nebenberuflich als Freelancer oder in einem Kleingewerbe tätig zu werden. Wichtig ist: Diese Regel gilt nur in Berlin. In anderen Städten und Bundesländern – etwa in München oder Hamburg – sieht die Verwaltungspraxis der Ausländerbehörde ganz anders aus. Dort wird mit der Blauen Karte in der Regel nur die „Beschäftigung“ erlaubt. Wer also außerhalb von Berlin selbstständig tätig sein will, muss in der Regel einen separaten Antrag auf Erlaubnis zur selbstständigen Tätigkeit stellen.
4. Antrag stellen: Wie kann ich eine Selbstständigkeit mit der Blauen Karte EU beantragen?
Wenn Sie außerhalb Berlins wohnen und mit der Blauen Karte EU selbstständig arbeiten möchten, benötigen Sie in der Regel eine zusätzliche Genehmigung der Ausländerbehörde nach § 21 Abs. 6 AufenthG (siehe oben).
Für diesen Antrag sollten Sie folgende Unterlagen vorbereiten:
Eine kurze Beschreibung der geplanten selbstständigen Tätigkeit
Einen Finanzplan oder Businessplan (bei gewerblicher Tätigkeit)
Nachweise über Qualifikation und berufliche Erfahrung
Angaben zum zeitlichen Umfang der Tätigkeit (um zu zeigen, dass die Haupttätigkeit weiterhin die angestellte Beschäftigung bleibt)
Der Antrag kann dann über das Kontaktformular der jeweiligen Behörde gestellt werden (siehe z.B. Kontaktformular des KVR München für Inhaber einer Blauen Karte EU). Die Entscheidung liegt allerdings im Ermessen der Behörde. Es gibt also keinen automatischen Anspruch auf die Genehmigung. Umso wichtiger ist es, den Antrag gut vorzubereiten und die geplante Tätigkeit nachvollziehbar darzustellen. In Zweifelsfällen kann eine rechtliche Beratung durch Fachanwälte sinnvoll sein.
5. Achtung: Arbeitsrecht bei nebenberuflicher Selbstständigkeit beachten
Unabhängig vom Ausländerrecht müssen Fachkräfte mit der Blauen Karte EU auch das Arbeitsrecht beachten. Auch wenn die Ausländerbehörde einer nebenberuflichen Selbstständigkeit zustimmt, bedeutet das nicht automatisch, dass diese auch arbeitsrechtlich erlaubt ist. Viele Arbeitsverträge enthalten ein sogenanntes Wettbewerbsverbot. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer keine Tätigkeit ausüben darf, die in direkter oder indirekter Konkurrenz zum Arbeitgeber steht – unabhängig davon, ob es sich um ein Angestelltenverhältnis oder eine Selbstständigkeit handelt.
Für Inhaber der Blauen Karte EU bedeutet das: Wenn sie sich nebenberuflich selbstständig machen möchten, müssen sie sicherstellen, dass ihre Selbstständigkeit nicht mit dem Tätigkeitsbereich ihres Arbeitgebers kollidiert. Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot kann arbeitsrechtliche Konsequenzen haben – von einer Abmahnung bis hin zur Kündigung. In der Regel gilt, dass Arbeitnehmer verpflichtet sind, ihren Arbeitgeber über Nebentätigkeiten zu informieren. In vielen Fällen ist sogar die ausdrückliche Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich. Dies gilt auch für selbstständige Tätigkeiten. Wenn Sie also mit der Blauen Karte EU selbstständig sein wollen, müssen Sie die Erlaubnis nicht nur bei der Ausländerbehörde, sondern auch bei Ihrem Arbeitgeber beantragen.
6. Fazit: Selbstständig mit der Blauen Karte EU – möglich, aber nicht selbstverständlich
Ob Sie selbstständig mit der Blauen Karte EU arbeiten dürfen, hängt maßgeblich davon ab, welche Nebenbestimmung Ihre Aufenthaltserlaubnis enthält und in welcher Stadt Sie leben. In Berlin ist „Erwerbstätigkeit erlaubt“ meist automatisch eingetragen – eine selbstständige Tätigkeit ist damit erlaubt. In anderen Bundesländern ist oft nur „Beschäftigung erlaubt“ – hier müssen Sie zusätzlich eine Genehmigung beantragen. Wenn Sie unsicher sind, ob Ihre Nebentätigkeit erlaubt ist, oder einen Antrag auf Genehmigung stellen wollen, stehen Ihnen die Rechtsanwälte von VISAGUARD gerne zur Seite. Gerade weil die Entscheidung im Ermessen der Behörde liegt, kann eine professionelle Begleitung helfen, Fehler zu vermeiden und Ihre Chancen zu verbessern.
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