1,6 Google-Sterne noch zu viel: ABH Stuttgart mal wieder mit Kollateralschaden
- Mirko Vorreuter
- 12. Okt.
- 3 Min. Lesezeit

Wenn man auf Google nach der Ausländerbehörde Stuttgart sucht, liest man vor allem eines: Frust. Ganze 1,6 Sterne bei über 1.000 Bewertungen – und selbst das wirkt angesichts der zahlreichen Erfahrungsberichte fast schmeichelhaft. Was sich dort seit Jahren abspielt, ist kein unglücklicher Einzelfall, sondern Ausdruck eines strukturellen Versagens einer Behörde, die längst jedes Gefühl für Verantwortung, Respekt und rechtsstaatliche Verlässlichkeit verloren zu haben scheint. Das Versagen der Behörde wurde bereits in unzähligen skandalösen Zeitungsartikeln dokumentiert (siehe etwa hier, hier und hier). Gleichwohl scheint es bei der Behörde keinerlei Änderungen zu geben.
Der aktuelle Fall: Eine Studentin, ein beschlagnahmter Pass und staatliche Ignoranz
Der jüngste Fall der taiwanesischen Studentin Jia Ling Chang zeigt exemplarisch, wie sehr Verwaltungsversagen inzwischen zur Normalität geworden ist. Sie studierte in Stuttgart, wurde für ein Masterstudium in Freiburg zugelassen – und geriet durch nichts anderes als die Trägheit der Ausländerbehörde in existenzielle Not. Trotz rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags erhielt sie weder Antwort noch Fiktionsbescheinigung, also jenes Dokument, das laut § 81 Abs. 4 AufenthG ihre Aufenthaltserlaubnis bis zur Entscheidung automatisch fortgelten lässt. Als die Zollverwaltung im Rahmen einer Routinekontrolle auftauchte, fehlte dieser Nachweis – und ihr Pass wurde beschlagnahmt. Ein Verwaltungsversagen mit gravierenden Folgen: Ohne Pass, ohne Fiktionsbescheinigung, ohne Möglichkeit, ihr Studium in Freiburg anzutreten. Und das alles, weil eine Behörde es nicht schafft, Anträge ordnungsgemäß zu bearbeiten oder wenigstens auf Notfälle zu reagieren.
Von Einzelfällen kann längst keine Rede mehr sein
Wer den Fall für eine Ausnahme hält, sollte nur ein paar Minuten in den Google-Bewertungen der Behörde verbringen. Dort berichten Menschen von monatelang unbeantworteten E-Mails, verloren gegangenen Unterlagen, verweigerten Einlassversuchen und teils entwürdigenden Szenen am Empfang. Bereits in der Vergangenheit geriet die Stuttgarter Ausländerbehörde in die Schlagzeilen – etwa wegen Berichten über massive Terminengpässe, überforderte Mitarbeitende, und unwürdige Wartesituationen vor dem Gebäude, bei Wind und Wetter, ohne Toiletten oder Sitzmöglichkeiten. Die Landeshauptstadt hat auf diese Missstände wiederholt mit Ankündigungen reagiert – organisatorische „Reformen“, „Digitalisierung“, „Personalaufbau“. Doch die Realität bleibt unverändert: Menschen, die auf Entscheidungen dieser Behörde angewiesen sind, verlieren Zeit, Nerven, Chancen und im schlimmsten Fall ihren Aufenthaltsstatus. VISAGUARD.Berlin hat selbst zahlreiche Erfahrungen mit der ABH Stuttgart gemacht und kann die Zustände dort bestätigen.
Das strukturelle Problem: Vollzugsversagen statt Digitalutopie
Der Fall zeigt, dass es in Deutschland nicht an Gesetzen fehlt – sondern am Vollzug.
Nach § 81 Abs. 5 AufenthG ist die Ausländerbehörde sogar verpflichtet, eine Fortgeltungsbescheinigung von Amts wegen auszustellen, wenn ein Antrag rechtzeitig eingeht. Das ist keine Gefälligkeit, sondern eine gesetzliche Pflicht. Doch genau diese Pflichten werden systematisch ignoriert. Während sich die Bundesregierung mit digitalen Projekten wie der „Work & Stay“-Agentur schmückt, brechen die Grundlagen rechtsstaatlicher Verwaltungspraxis vor Ort zusammen. Was nützt eine zentrale Onlineplattform, wenn die zuständigen Behörden nicht einmal elementare Verfahrensrechte umsetzen?
Die Ausländerbehörde Stuttgart betont öffentlich immer wieder, gegen diese Missstände anzugehen. Auf der Hohenheimer Konferenz 2024 (Hohenheimer Tage zum Migrationsrecht) nähe Stuttgart hatte die Leitung der ABH Stuttgart noch mitleidig betont, dass es nicht möglich wäre Fachkräfte einzustellen. Vor hunderten versammelten Migrationsexperten wurde auf die Tränendrüse gedrückt, dass ja der Fachkräftemangel und nicht die Behörde an den Umständen Schuld wäre. Der Fall von Jia Ling Chang widerlegt dies erneut: Die strukturellen Defizite beruhen nicht auf den rechtlichen Fähigkeiten des Personals, sondern an dem Unwillen, der Ignoranz und der Dreistigkeit der Mitarbeiter dort. Man muss nicht Jura studiert haben, um sich menschlich zu verhalten.
Fazit: Stuttgart steht sinnbildlich für ein nationales Problem
Die Stuttgarter Ausländerbehörde ist kein Ausreißer, sie ist ein Symptom. Ein Symptom für eine Verwaltung, die aus Angst vor Verantwortung und aus Mangel an Struktur längst das Vertrauen der Menschen verspielt hat, die sie eigentlich schützen sollte. Wer in Deutschland bleiben, studieren, arbeiten oder Familie gründen will, trifft allzu oft auf kafkaeske Prozesse, verlorene Unterlagen und eine Verwaltung, die eher abschreckt als verwaltet. 1,6 Sterne bei Google sind also kein digitales Ärgernis. Sie sind ein Spiegelbild einer Behörde, die längst reformiert gehört – nicht kosmetisch, sondern grundlegend.



