Mutmaßlich ausländerfeindlicher Richter aus Gera nicht wegen Volksverhetzung angeklagt
- Isabelle Manoli

- vor 21 Minuten
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Der Rechtsstaat steht und fällt mit dem Vertrauen, das die Bürgerinnen und Bürger in ihn setzen. Dieses Vertrauen entsteht nicht allein durch Gesetze, Urteile oder Verwaltungsabläufe. Es entsteht vor allem durch die Menschen, die diesen Staat repräsentieren. Richter sollen unvoreingenommen handeln, verantwortungsvoll kommunizieren und die Würde jedes Menschen achten. Genau deshalb wirkt der Fall eines mutmaßlich ausländerfeindlicher Thüringer Richters (VISAGUARD.Berlin hatte zu dem Fall berichtet) weit über ein einzelnes Fehlverhalten hinaus. Gleichwohl hat die Thüringer Staatsanwaltschaft die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Volksverhetzung nunmehr abgelehnt.
Visumsrichter auf Abwegen
Ausgangspunkt war ein Facebook-Beitrag des Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Gera, Dr. Bengt Fuchs. Er bezeichnete Angehörige der Sinti und Roma pauschal als „Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche“. Eine Formulierung, die abwertet, verletzt und ein ganzes Volk lächerlich macht. Dass ein Richter solche Worte öffentlich wählt, ist keinesfalls eine Nebensache. Es ist ein Signal, das an jene gerichtet ist, die auf Fairness und Objektivität angewiesen sind – gerade in Verfahren, in denen Menschen ohnehin in besonders vulnerablen Situationen stehen. Besonders brisant ist dabei, dass Dr. Fuchs lange für Asylverfahren zuständig war und inzwischen im Thüringer Justizministerium arbeitet.
Kein formelles Strafverfahren gegen Richter aus Gera
Strafrechtlich wird dieser Satz allerdings keine Konsequenzen haben. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Volksverhetzung Anklage erhoben, doch sowohl das Landgericht Gera als auch – nach Beschwerde – das Thüringer Oberlandesgericht in Jena lehnten die Eröffnung eines Hauptverfahrens ab. Das OLG bezeichnete die Äußerung zwar als „grob geschmacklose und diffamierende Entgleisung“, sah darin aber keinen Angriff auf die Menschenwürde und keinen Ausdruck von Hass. Damit sei der Tatbestand der Volksverhetzung nicht erfüllt. Strafbar wäre die Aussage lediglich als Beleidigung, wofür jedoch ein Strafantrag der Betroffenen nötig wäre, der bisher nicht vorliegt.
Unabhängig davon läuft seit Sommer 2025 ein Disziplinarverfahren gegen den Richter. Dienstrechtlich ist die Sache also keineswegs erledigt. In der politischen Debatte gehen die Reaktionen deutlich weiter: Die Thüringer Linke-Fraktion sprach von einem fatalen Signal, da Rassismus zwar klar benannt werde, aber folgenlos bleibe. Ihre Abgeordnete Katharina König-Preuss, die selbst Anzeige gestellt hatte, betonte, ein Richter, der Minderheiten öffentlich diffamiere, habe auf einer Richterbank nichts verloren.
Gesellschaftliche Erwartung vs. Strafbarkeit
All diese Entwicklungen werfen ein Schlaglicht auf ein grundsätzliches Problem. Auch wenn die strafrechtliche Bewertung an klare gesetzliche Grenzen gebunden ist, bleibt ein gesellschaftlicher Schaden zurück. Denn Worte schaffen Wirklichkeit. Wenn jemand in einem gerichtlichen Amt Menschen pauschal diffamiert, dann betrifft das weit mehr als nur eine einzelne Bevölkerungsgruppe. Es betrifft die Frage, ob wir uns auf die Unparteilichkeit derjenigen verlassen können, die in unserem Namen Recht sprechen. Es betrifft das Verständnis davon, wie ernst der Staat seine Verantwortung für den Schutz von Minderheiten nimmt. Und es betrifft das Gefühl, ob unsere demokratischen Institutionen wirklich allen Menschen mit derselben Würde begegnen.
Für VISAGUARD bleibt entscheidend, dass Fälle wie dieser nicht im Schweigen versanden. Sie müssen transparent aufgearbeitet werden, weil Vertrauen nur dort wachsen kann, wo Fehlverhalten klar benannt und Folgen gezogen werden. Der Fall Fuchs zeigt, wie wichtig es ist, nicht nur auf das Strafrecht zu schauen, sondern auf die Haltung und Verantwortung derjenigen, die Zugang zu den heikelsten und sensibelsten Entscheidungen unseres Staates haben. Wenn Richter diskriminierend gegenüber Ausländern entgleisen, dürfen wir nicht wegsehen - insbesondere nicht, wenn die Richter sogar selbst für Visums- und Ausländerrecht zuständig sind.



