Urteil der Woche: VGH BaWü zur Untätigkeitsklage in Einbürgerungssachen
- Mirko Vorreuter, LL.B.

- 11. Okt.
- 2 Min. Lesezeit

Das Thema Untätigkeitsklagen im Staatsangehörigkeitsrecht gewinnt zunehmend an Bedeutung. Seit dem Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsmodernisierungsgesetzes (StARModG) sehen sich viele Staatsangehörigkeitsbehörden mit einer sprunghaft gestiegenen Zahl von Einbürgerungsanträgen konfrontiert. Diese Entwicklung führt in der Praxis nicht nur zu erheblichen Verzögerungen, sondern auch zu einer Zunahme von Klagen, mit denen Antragsteller die Behörden zur Entscheidung zwingen wollen. Nun hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschluss vom 4. August 2025 – 11 S 1181/25) eine richtungsweisende Entscheidung getroffen, die für Einbürgerungsbewerber, aber auch für ihre anwaltlichen Vertreter, von großer Bedeutung ist.
Überlastung der Behörden kann ausnahmsweise gerechtfertigt sein
Der VGH Baden-Württemberg hatte zu klären, ob die deutliche Zunahme von Einbürgerungsanträgen nach dem Inkrafttreten des StARModG einen sogenannten „zureichenden Grund“ im Sinne des § 75 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) darstellen kann – also einen Grund, der eine längere Bearbeitungszeit rechtfertigt. Das Gericht bejahte dies grundsätzlich: Eine nicht vorhersehbare Antragsflut könne vorübergehend ein nachvollziehbarer Grund für Verzögerungen sein. Allerdings gilt diese Einschätzung nur dann, wenn die betroffene Behörde angemessen reagiert – etwa durch organisatorische Anpassungen, zusätzliche Personalmaßnahmen oder durch den Einsatz digitaler Lösungen zur Verfahrensbeschleunigung.
Damit setzt das Gericht ein klares Signal: Bloße Überforderung genügt nicht. Behörden müssen zeigen, dass sie aktiv an Lösungen arbeiten. Dazu gehören transparente Priorisierungskriterien, digitalisierte Abläufe und ein nachvollziehbares Beschwerdemanagement. Für Antragsteller bedeutet das, dass sie Geduld aufbringen müssen, solange die Behörde erkennbar an Verbesserungen arbeitet – doch sobald dies nicht der Fall ist, bleibt die Untätigkeitsklage ein wirksames Mittel, um ihr Verfahren voranzubringen.
Was Einbürgerungsbewerber jetzt wissen sollten
Für Migrantinnen und Migranten, die ihren Einbürgerungsantrag gestellt haben, ist das Urteil des VGH Baden-Württemberg von unmittelbarem Interesse. Es zeigt, dass Gerichte durchaus Verständnis für überlastete Behörden haben – aber nur dann, wenn diese ihre Pflichten ernst nehmen und aktiv an der Lösung des Problems arbeiten. Fehlt es an erkennbaren Maßnahmen, bleibt der Weg der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO offen und kann dazu führen, dass das Verfahren beschleunigt wird.
Mit dieser Entscheidung stärkt der VGH Baden-Württemberg sowohl die Rechte der Antragsteller als auch die Verpflichtung der Behörden zu moderner, effizienter Verwaltungsarbeit. Sie markiert einen wichtigen Schritt hin zu einer digitaleren und gerechteren Einbürgerungspraxis in Deutschland – und zeigt zugleich, dass rechtlicher Druck oft notwendig ist, um Bewegung in festgefahrene Verfahren zu bringen.



