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"Work and Stay"-Agentur nur digitales Feigenblatt statt Fortschritt

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Vorbei, bevor überhaupt etwas passiert ist. Wer gehofft hatte, dass die Bundesregierung mit dem Koalitionsvertrag endlich ernst macht in Sachen Reform und Zentralisierung der Migrationsverfahren, wird nach der aktuellen Antwort auf die BT-Drs. 21/1312 enttäuscht zurückgelassen. Statt einer echten Neukonzeption der Migrationsverwaltung scheint das Vorhaben auf ein Minimum an Veränderung zusammengeschrumpft zu sein: ein digitaler Anstrich für ein System, das an vielen Stellen strukturell überfordert ist.


In der Antwort auf die Fragen 29 bis 29c heißt es, dass der Koalitionsvertrag vorsieht, "bürokratische Hürden einzureißen", etwa durch eine konsequente Digitalisierung, eine Zentralisierung der Prozesse und eine beschleunigte Anerkennung der Berufsqualifikationen. Dafür solle eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung – die sogenannte „Work-and-Stay-Agentur“ – mit einer zentralen IT-Plattform als einheitliche Ansprechpartnerin für ausländische Fachkräfte geschaffen werden. Diese Agentur solle Prozesse der Erwerbsmigration und der Anerkennung von Berufs- und Studienabschlüssen bündeln und mit den Strukturen in den Ländern verzahnen. Derzeit stimme sich die Bundesregierung über die konkrete Ausgestaltung und den Zeitplan ab.


Was auf den ersten Blick ambitioniert klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als nicht mehr als ein IT-Projekt, das die grundlegenden Probleme nicht löst. Fehlende einheitliche Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen, unübersichtliche Verfahren für Antragsteller und Unternehmen sowie die personelle Unterbesetzung in Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden bleiben bestehen. Digitalisierung allein kann diese Probleme nicht beheben, schon gar nicht, wenn sie nicht mit einer echten Zentralisierung der Verfahren und klaren, rechtssicheren Abläufen kombiniert wird.


Wer täglich mit den realen Hürden der Fachkräfteeinwanderung arbeitet, weiß: Ohne klare Zuständigkeiten, effiziente Workflows und kompetente Sachbearbeiter wird auch die schönste Plattform zur leeren Hülle. Was Deutschland dringend braucht, ist mehr als nur eine „Work-and-Stay-Agentur“. Notwendig sind einheitliche Entscheidungsstellen, verbindliche Fristen für Bearbeitungen und vor allem mehr qualifiziertes Personal in den beteiligten Behörden. Alles andere bleibt ein Digitalisierungsmantel, der strukturelle Defizite höchstens kaschiert, aber nicht beseitigt.


Die Chance zur echten Verfahrensoptimierung scheint damit – zumindest vorerst – verspielt. Wer gehofft hatte, dass die Bundesregierung die Einwanderungsverfahren konsequent modernisiert, muss sich weiter in Geduld üben. Bis echte Reformen kommen, bleibt von der angekündigten Revolution der Verwaltungsprozesse nicht viel mehr als ein Versprechen, das in der Praxis an der Realität der Behörden scheitert.


Zur BT-Drs. 21/1312 geht es hier: https://dserver.bundestag.de/btd/21/013/2101312.pdf

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