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Aktuelle Probleme und Wartezeiten bei Visaanträgen aus der Türkei


Die Beantragung eines deutschen Visums aus der Türkei ist für viele Menschen zu einem frustrierenden und belastenden Prozess geworden. Familien, Studierende, Geschäftsreisende, Fachkräfte und sogar Investorinnen und Investoren berichten seit Langem von überlasteten Konsulaten und monatelangen Wartezeiten. Für Schengen-Visa beträgt die Wartezeit in der Türkei momentan etwa 4 - 6 Monate, während für D-Visa bis zu 5 Monate gewartet werden muss. Während die Nachfrage steigt, wirken die Verfahren immer schwerfälliger und intransparent. Die Frage, woher diese Verzögerungen kommen und warum sich die Situation nicht verbessert, beschäftigt inzwischen viele Betroffene. Zu dieser Problematik hat Dr. Martin Manzel mit der Journalistin Özlem Gürses ein aufschlussreiches Interview geführt, dessen Inhalte wir hier für Sie zusammenfassen.


Strukturelle Defizite und organisatorische Überlastung

Ein wesentlicher Hintergrund für die langen Bearbeitungszeiten liegt im Aufbau der deutschen Visaverfahren selbst. Während in der Türkei digitale Abläufe längst etabliert sind, arbeitet die deutsche Verwaltung an den Auslandsvertretungen weiterhin stark papiergebunden. Akten werden gedruckt, sortiert und manuell geprüft. Dies führt unweigerlich dazu, dass bereits kleine Engpässe große Verzögerungen verursachen. Hinzu kommt ein deutlicher Mangel an qualifiziertem Personal, der die steigende Zahl an Anträgen nicht bewältigen kann. Für viele Antragsteller entsteht so der Eindruck, ihre Anliegen würden absichtlich hinausgezögert. Tatsächlich ist das Problem überwiegend struktureller Natur und spiegelt den Modernisierungsbedarf deutscher Behörden im Ausland wider.


Besonders sichtbar wird diese Problematik im Bereich der Schengen-Visa. Obwohl es hier nur um kurzfristige Aufenthalte geht, führt der breite Ermessensspielraum der Behörden regelmäßig zu schnellen Ablehnungen. Antragsteller ohne klar erkennbare Bindungen in der Türkei werden oft sehr streng bewertet (siehe fehlender Rückkehrwille). Die Entscheidung basiert in vielen Fällen auf einer Einschätzung der „Glaubhaftigkeit“ und weniger auf klaren rechtlichen Vorgaben. Dadurch geraten auch gut vorbereitete Anträge für Familienfeiern, Geschäftsreisen oder kulturelle Anlässe ins Stocken oder werden abgelehnt.


Widerspruch zwischen Fachkräftebedarf und realer Praxis

Bei nationalen Visa (D-Visum) ergibt sich ein anderes Bild: Hier bestehen gesetzliche Ansprüche, und politische Einflussnahme ist ausgeschlossen. Dennoch sind auch diese Verfahren von beträchtlichen Verzögerungen geprägt. Menschen warten teilweise monatelang allein auf einen ersten Termin, und Paare in der Familienzusammenführung erleben oft über ein Jahr erzwungene Trennung, bevor die Behörden überhaupt mit der Prüfung beginnen. Die gesetzlichen Voraussetzungen bieten zwar eine klare Grundlage, doch die praktische Umsetzung bleibt aufgrund der strukturellen Defizite weiterhin ein Problem.


Besonders widersprüchlich erscheint die Situation für qualifizierte Fachkräfte und Investorinnen. Deutschland wirbt weltweit um Arbeitskräfte, insbesondere im technischen, medizinischen und handwerklichen Bereich. Gleichzeitig führt die tatsächliche Umsetzung der Visaverfahren dazu, dass genau diese Personengruppen durch monatelange Wartezeiten ausgebremst werden. Viele verlieren in diesem Zeitraum berufliche Chancen oder entscheiden sich gegen Deutschland, weil sie die Unsicherheit des Prozesses nicht tragen können. Das schadet sowohl den Betroffenen als auch dem deutschen Arbeitsmarkt, der dringend auf ausländische Fachkräfte angewiesen ist.


Fazit: Visaverfahren brauchen dringend Reformen

Die aktuelle Situation zeigt deutlich, dass das Visasystem Deutschlands gegenüber der Türkei an seine Grenzen gestoßen ist. Ineffiziente Arbeitsweisen, fehlende Digitalisierung und zu wenig Personal führen zu Wartezeiten, die weder den Bedürfnissen der Menschen noch den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands entsprechen. Betroffene benötigen Geduld, gründliche Vorbereitung und oftmals auch rechtliche Unterstützung, um ihre Chancen im Verfahren zu wahren. Gleichzeitig ist klar, dass langfristig nur strukturelle Reformen eine Verbesserung bringen können. Deutschland muss die eigenen politischen Ziele – insbesondere den Bedarf an qualifizierter Migration – mit einem modernen, verlässlichen und transparenten Visasystem verbinden. Bis das gelingt, bleibt der Visumantrag aus der Türkei für viele ein mühsamer und unberechenbarer Weg.

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