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Geplante Stellenstreichungen im Auswärtigen Amt – ein fragwürdiges Signal in Zeiten chronischer Überlastung

Gebäude vom Auswärtigen Amt

Die Ankündigung, im Auswärtigen Amt bis 2029 rund 570 Stellen abzubauen, wirft aus anwaltlicher Sicht erhebliche Fragen auf. Das Ministerium begründet die tiefgreifende Umstrukturierung mit dem Ziel, sicherheits- und wirtschaftsgeleitete Außenpolitik zu stärken und die Wirksamkeit zu erhöhen. Die Realität im konsularischen Bereich – insbesondere bei der Bearbeitung von Visumanträgen – zeichnet jedoch ein völlig anderes Bild: Seit Jahren stützt das Auswärtige Amt seine gerichtlichen Erwiderungen regelmäßig auf den Hinweis massiver Personalknappheit. Wer vor deutschen Verwaltungsgerichten Untätigkeitsklagen gegen Visaverzögerungen führt, begegnet immer wieder dem gleichen Argumentationsmuster: Überlastung, Fachkräftemangel, struktureller Kapazitätsengpass.


Angesichts dieser behördlichen Selbstbeschreibung wirkt der nun angekündigte Personalabbau widersprüchlich und kaum nachvollziehbar. Wer öffentlich erklärt, dass Visumverfahren wegen fehlender Ressourcen monatelang dauern, kann schwerlich gleichzeitig den Abbau von hunderten Dienstposten als strategisch zwingend darstellen. Diese Diskrepanz schadet dem Vertrauen in eine verlässliche Außen- und Konsularverwaltung – und sie trifft ausgerechnet jene Bereiche, in denen Deutschland im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte ohnehin regelmäßig hinterherhinkt.


Reform unter dem Vorwand der Modernisierung

Die von den Staatssekretären vorgestellte Reform gilt als größte Strukturveränderung des Auswärtigen Amts seit Jahrzehnten. Sie sieht die Bündelung und Neuzuschnitte nahezu aller Länder- und Fachabteilungen vor. Europa, Amerika, Asien/Pazifik sowie Naher und Mittlerer Osten/Afrika sollen künftig eigenständige regionale Blöcke bilden. Sicherheitspolitik, internationale Ordnung und Geoökonomie werden in eigenen, neu ausgerichteten Abteilungen zusammengeführt.


Auf dem Papier verfolgt die Reform das Ziel, “Prioritäten zu setzen” und die außenpolitische Schlagkraft zu erhöhen. Doch wer die Funktionsweise des Auswärtigen Dienstes kennt, weiß, dass strategische Neuaufstellung und Personalabbau selten miteinander harmonieren. Eine effiziente und moderne Außenpolitik setzt gerade nicht weniger Personal voraus, sondern qualifiziertes Fachpersonal, das komplexe Verfahren sowohl im politischen als auch im konsularischen Bereich bewältigen kann.


Konsularische Leistungen bleiben das Stiefkind der Reform

Besonders problematisch wirkt, dass sich die geplanten Einsparungen maßgeblich auf die Zentrale in Berlin konzentrieren, obwohl die dortige Visastelle seit Jahren ein Nadelöhr darstellt. Die Bearbeitung von Visumanträgen dauert regelmäßig Monate, in manchen Auslandsvertretungen länger als ein Jahr. Unternehmer warten auf dringend benötigte Fachkräfte, Antragstellende verlieren Stellenangebote, Familien bleiben getrennt – und die Behörde verweist immer wieder auf strukturelle Engpässe. Vor diesem Hintergrund wirkt der Hinweis auf acht Prozent pauschale Stelleneinsparungen realitätsfern. Die Arbeitslast im Auswärtigen Amt ist nicht geringer geworden; im Gegenteil, weltpolitische Krisen, steigende Mobilität und komplexere migrationspolitische Regelungen erfordern erheblich mehr konsularische Kapazitäten. Ein Ministerium, das sich aktuell modernisieren möchte, müsste gerade diese Bereiche stärken, statt sie strukturell weiter auszudünnen.


Gefährliches Signal im internationalen Wettbewerb

Deutschland befindet sich in einem globalen Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte. Verzögerte Visumverfahren gehören dabei zu den größten Standortnachteilen. Wenn ein Land seine außenpolitische Verwaltung strukturell schwächt und öffentlich kommuniziert, dass Stellen nur aus Sparzwängen entfallen, sendet das ein falsches Signal an Unternehmen, Fachkräfte und Partnerstaaten.


Die Reform mag politisch gewollt sein, doch in ihrer praktischen Wirkung könnte sie zu einer weiteren Verlangsamung ohnehin schon überlasteter Prozesse führen. Besonders kritisch ist, dass keine klare Antwort darauf gegeben wird, wie der konsularische Service trotz Stellenabbaus stabilisiert werden soll. Wenn zugleich auf personelle Engpässe verwiesen wird, verliert das Argument seine Glaubwürdigkeit und die Reform ihren sachlichen Unterbau.


Fazit: Modernisierung braucht Ressourcen anstatt Einsparungen

Es ist nachvollziehbar, dass das Auswärtige Amt angesichts geopolitischer Herausforderungen seine Prioritäten überdenkt. Doch Modernisierung bedeutet nicht automatisch Reduktion. Für die Praxis der Visabearbeitung, die für Unternehmen und Fachkräfte essenziell ist, stellt der beschlossene Stellenabbau ein erhebliches Risiko dar. Aus anwaltlicher Sicht ist die Diskrepanz besonders deutlich: Vor Gericht betont das Ministerium regelmäßig, dass Verzögerungen unvermeidbar seien und auf fehlende Kapazitäten zurückgingen. Nun aber wird derselbe Apparat personell reduziert – und das ausgerechnet in einer Phase, in der die Bundesregierung nach außen für mehr Fachkräftezuwanderung wirbt. Statt Stellen abzubauen, müsste das Auswärtige Amt endlich an den Stellen aufstocken, die für die Migrations- und Außenwirtschaftspolitik Deutschlands zentral sind. Nur so lässt sich die im Schreiben der Staatssekretäre erwähnte „Wirksamkeit“ tatsächlich erreichen.

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