Identitätsklärung Einbürgerung: BVerwG entwickelt Rechtsprechung zur Einbürgerung ohne Pass weiter
- Mirko Vorreuter, LL.B.

- vor 8 Stunden
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Wer Deutscher werden will, muss zweifelsfrei nachweisen, wer er ist (§ 10 Abs. 1 StAG). Doch was passiert, wenn kein Reisepass vorliegt? Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 18. Dezember 2025 ein spannendes Urteil gefällt (BVerwG 1 C 27.24), das die Anforderungen an den Identitätsnachweis in Einbürgerungssachen ergänzt und weiterentwickelt. Bisher galt eine gewisse Flexibilität zwischen Pass und Personalausweis. Damit ist nun Schluss: Der Nationalpass steht einsam an der Spitze der Nachweispflicht.
Hintergrund des neuen BVerwG-Urteils
Ein 1994 geborener Syrer, der seit 2014 in Deutschland lebt und als Flüchtling anerkannt ist, beantragte die Einbürgerung. Er legte seine syrische Identitätskarte vor, weigerte sich jedoch, bei der syrischen Botschaft einen Nationalpass zu beantragen. Aus anwaltlicher Erfahrung ist das eine viel verbreitete Vorgehensweise unter Syrer*innen, da die Gebühren für einen neuen Pass in Syrien im Laufe der Jahre in einem vollkommen unverhältnismäßigen Maße gestiegen sind und die Menschen es nicht einsehen, den Krieg des Regimes zu finanzieren. Während das Verwaltungsgericht (VG) dem Syrer noch recht gab und die Identitätskarte ausreichen ließ, korrigierte das BVerwG diese Auffassung nun.
Das neue 5-Stufen-Modell der Identitätsklärung
Das Gericht hat das bisherige System der Identitätsklärung bei Einbürgerungen und der Einbürgerung ohne Pass weiter präzisiert. Bisher war es ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es neben dem Pass noch weitere Möglichkeiten der Identitätsklärung gab (sogenanntes 5-Stufen-Modell). Der Kern der neuen Entscheidung lautet aber nun: Ein Übergang zur nächsten Stufe ist nur zulässig, wenn die Erlangung der Dokumente der höheren Stufe “trotz hinreichender Mitwirkung” objektiv unmöglich oder subjektiv unzumutbar ist. Dies sei bei einer vorsätzlichen Weigerung der Passbeantragung (selbst bei gut nachvollziehbarer Argumentation) nicht der Fall.
Einbürgerung ohne Pass nach neuem Urteil
Für die Einbürgerung ohne Pass bedeutet dies eine Verschärfung, da jedenfalls die Weigerung der Beantragung eines Passes aus Gewissensgründen für die Einbürgerung nicht mehr ausreichend ist. Das Stufenmodell zur Identitätsklärung sieht damit im Überblick wie folgt aus:
Stufe 1: Der Nationalpass. Er ist das Goldstandard-Dokument. Nur er enthält die völkerrechtlich verbindliche Erklärung eines Staates über die Identität und Staatsangehörigkeit einer Person.
Stufe 2: Amtliche Lichtbilddokumente. Erst wenn kein Pass erlangt werden kann, dürfen anerkannte Passersatzpapiere oder Personalausweise (Identitätskarten) als Nachweis dienen.
Stufe 3 bis 5: Hier finden sich sonstige Beweismittel wie Geburtsurkunden, Führerscheine oder im letzten Schritt Zeugenaussagen und eidesstattliche Versicherungen.
Warum ist der Pass so wichtig?
Das BVerwG betont die besondere Funktion des Passes als „öffentliche, internationale Anerkennung genießende staatliche Urkunde“. Eine Identitätskarte (Stufe 2) mag zwar Informationen zur Person enthalten, besitze aber nicht denselben völkerrechtlichen Stellenwert wie ein Reisepass. Man kann sich nicht mehr aussuchen, welches Dokument man vorlegt. Wer einen Pass beantragen könnte, dies aber aus persönlichen Gründen ablehnt, scheitert künftig bereits auf der ersten Stufe.
Was bedeutet das Urteil für die Praxis?
Das Urteil bedeutet eine Hürde für Einbürgerungsbewerber ohne gültigen Pass. Diese müssen nun detailliert nachweisen und begründen, warum ihnen der Gang zur Botschaft ihres Herkunftsstaates zur Passbeschaffung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Gewissensgründe können nun keine Rolle mehr spielen. Aus anwaltlicher Perspektive ist dies bedenklich, da die von manchen Regimen gepflegte Praxis der Finanzierung von Kriegen durch übertriebene Gebühren für im Ausland lebende Bürger dadurch ermöglicht wird.
Fazit neues Urteil Einbürgerung ohne Pass Syrien
Die Identitätsklärung bleibt damit für viele das „Nadelöhr“ der Einbürgerung. Mit der neuen Rechtsprechung unterstreicht das BVerwG, dass die deutsche Staatsangehörigkeit nur bei maximaler Sicherheit über die Identität verliehen wird. Die bloße Vorlage einer Identitätskarte reicht nicht aus, solange ein Pass theoretisch erlangt werden kann.
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