VG Berlin verhandelt zu IU-Fällen: Richter fällen Urteil gegen IU Internationale Hochschule
- Mirko Vorreuter, LL.B.

- vor 5 Stunden
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Am 05. November 2025 fand vor der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin die mündliche Verhandlung in dem Verfahren IU – University of Applied Sciences for International Students gegen das Landesamt für Einwanderung (LEA) statt (VISAGUARD hatte zu dem Fall berichtet). Viele Studierende hatten gehofft, dass das Gericht endlich Klarheit schafft – oder zumindest eine vermittelnde Linie zwischen beiden Seiten findet. Doch die Verhandlung zeigte vor allem eines: Die Fronten bleiben verhärtet. Und der Streit wird Deutschland voraussichtlich noch lange beschäftigen.
Eine Verhandlung ohne Annäherung
Bereits zu Beginn des Termins wurde deutlich, dass das Landesamt für Einwanderung keinerlei Bereitschaft zeigt, seine Linie in den IU-Fällen zu überdenken. Insgesamt erschienen vier Hauptsachbearbeiter des LEA – ein ungewöhnliches Aufgebot, das von Anfang an signalisierte, wie kompromisslos die Behörde diese Verfahren betreibt.
Trotz der hohen Zahl an beteiligten LEA-Mitarbeitern war die Gesprächsbereitschaft gering. Die Argumentation der Behörde blieb stur und einigungsunfähig. Genau das war allerdings zu erwarten: Das LEA Berlin möchte in dieser Frage offenbar ein deutliches Zeichen setzen und ist bereit, den Konflikt durch alle Instanzen zu tragen.
Kernfrage 1: Fallen Fernstudien unter § 16b AufenthG?
Im Mittelpunkt der Verhandlung stand zunächst die grundsätzliche Frage, ob ein Studium nach § 16b AufenthG auch dann vorliegt, wenn wesentliche Teile online stattfinden. Die Richterinnen und Richter machten früh klar, dass sie einen echten „Fernstudiencharakter“ eher kritisch sehen. Obwohl die Kammer in dieser Frage kein endgültiges dogmatisches Urteil sprach, klang die Tendenz deutlich durch: Ein Aufenthaltstitel für ein Studium setzt nach Auffassung des Gerichts wohl voraus, dass ein relevanter Teil der Ausbildung am Campus stattfindet. Reine oder weit überwiegend digitale Formate könnten danach nicht als „Präsenzstudium“ gelten.
Kernfrage 2: Erfüllen die neuen IU-Studiengänge die Präsenzanforderungen?
Die IU hat ihre Programme in den vergangenen Monaten mehrfach angepasst, um den gestiegenen rechtlichen Anforderungen zu entsprechen. Doch auch diese Änderungen überzeugten das Gericht nicht. Nach summarischer Bewertung sah die Kammer eher nicht, dass die neuen IU-Modelle die Voraussetzungen eines klassischen Präsenzstudiums erfüllen. Der entscheidende Punkt scheint dabei zu sein, ob Studierende sich überwiegend physisch am Campus aufhalten müssen – und genau dies verneinte das Gericht tendenziell.
Ein weiterer entscheidender Punkt war die Frage, ob Studierende wenigstens aufgrund des Vertrauensschutzes Anspruch auf eine Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis haben könnten. Schließlich hat das LEA jahrelang Visa erteilt, ohne die hybride Studienstruktur zu beanstanden. Doch auch hier fiel die Tendenz eher negativ aus. Die Richter deuteten an, dass ein früher erteilter Aufenthaltstitel und auch eine Zustimmung im Visumverfahren keinen dauerhaften Schutz gewährt, wenn die rechtlichen Voraussetzungen aus Sicht der Behörde später nicht mehr vorliegen. Eine klare Aussage blieb zwar aus – aber der Tenor war deutlich: Ein durchsetzbarer Vertrauensschutz wird wohl nicht angenommen.
Das Urteil: Die IU unterliegt
Im Ergebnis entschied das Verwaltungsgericht Berlin gegen die IU. Die Hochschule bzw. die entsprechenden Studenten haben den Rechtsstreit in dieser ersten Runde verloren. Doch das Urteil selbst macht sichtbar, dass die Rechtslage keineswegs eindeutig ist. Denn: Die Kammer ließ die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zu. Das ist vergleichsweise selten – und zeigt, dass das Gericht selbst erhebliche Zweifel daran hat, ob die Rechtsfragen tatsächlich abschließend geklärt sind. Die Richterinnen und Richter scheinen zu erkennen, dass die Bedeutung des Falls weit über Berlin hinausreicht. Die Zulassung der Sprungrevision ist ein starkes Signal: Der Fall wird Deutschland noch lange begleiten. Es ist zu erwarten, dass der Rechtsstreit durch mehrere Instanzen geht – möglicherweise bis zum Bundesverwaltungsgericht oder sogar bis zum Europäischen Gerichtshof, da unionsrechtliche Fragen der REST-Richtlinie berührt sind. Für aktuelle IU-Studierende bedeutet dies jedoch leider keine Entlastung. Die rechtliche Klärung wird lange dauern, während die aufenthaltsrechtlichen Probleme sofort wirken. Wer jetzt betroffen ist, wird kaum davon profitieren, dass die Rechtslage irgendwann in einigen Jahren höchstrichterlich geklärt wird.
Fazit: Ein Etappensieg für das LEA – aber keine endgültige Antwort
Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin hat das LEA seinen Kurs zunächst bestätigt bekommen. Doch die Frage, ob hybride Studienmodelle der IU tatsächlich nicht unter § 16b AufenthG fallen, bleibt weiterhin umstritten. Klar ist nur: Die Auseinandersetzung wird weitergehen. Und sie wird die Zukunft hybrider Studienmodelle, die Anerkennung internationaler Bildungswege und die Praxis der Ausländerbehörden grundlegend beeinflussen. Für Studierende bleibt die Situation dramatisch. Die Verhandlung zeigt erneut, dass man sich auf kurzfristige rechtliche Lösungen nicht verlassen kann.
VISAGUARD rät deshalb weiterhin:
rechtzeitig beraten lassen,
mögliche Studiengangwechsel prüfen,
und auf realistische Perspektiven setzen, statt auf jahrelange Rechtsstreitigkeiten zu hoffen.
Wir werden die weiteren Entwicklungen eng begleiten und in dieser Reihe fortlaufend darüber berichten.



