Skandal: Berliner Ausländerbehörde ignoriert Urteil
- VG3
- 1. Juli
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Der Trend der Ignorierung von Gerichtsurteilen durch die deutsche Migrationsverwaltung setzt sich fort: Die Ausländerbehörde in Berlin (Landesamt für Einwanderung (LEA)) hält an einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis zur Blauen Karte EU fest, obwohl das Verwaltungsgericht Berlin rechtskräftig anders entschieden hatte.
Was war passiert?
Das Verwaltungsgericht Berlin hatte mit Urteil vom 14. Mai 2025 (Az. 29 K 122/24) entschieden, dass ausländische Fachkräfte in Berlin gleichzeitig eine Blaue Karte EU und eine Niederlassungserlaubnis haben dürfen (siehe unseren Blogbeitrag zu dem Urteil des VG Berlin vom 14. Mai 2025). Vor diesem Urteil hatte das Landesamt für Einwanderung (LEA) die Blaue Karte automatisch für ungültig erklärt, wenn eine Niederlassungserlaubnis erteilt wurde. Hiergegen hatte eine Fachkraft vor dem VG Berlin geklagt, um die Blaue Karte EU auch nach der Erteilung der Niederlassungserlaubnis behalten zu können. Das VG Berlin stellte daraufhin per Urteil fest, dass das Innehaben einer Blauen Karte EU und einer Niederlassungserlaubnis gleichzeitig möglich sei. Die klagende ausländische Fachkraft konnte so ihre Blaue Karte EU behalten.
Ausländerbehörde Berlin ignoriert Urteil
Nach dem Urteil wird allerdings klar, dass die Ausländerbehörde in Berlin offenbar nicht vorhat, das Urteil auch umzusetzen. Zwar änderte das Landesamt für Einwanderung am 18. Juni 2025 die internen Verwaltungshinweise für die Sachbearbeiter der Behörde, jedoch findet sich die vom Verwaltungsgericht Berlin als rechtswidrig festgestellte Praxis dort trotzdem wieder. So heißt es in den offiziellen “Verwaltungshinweisen zum Aufenthalt in Berlin (VAB)” weiterhin, dass die ausländische Fachkraft nach Erteilung der Niederlassungserlaubnis “ehemaliger” Inhaber einer Blauen Karte EU sei und die Blaue Karte EU nicht zu verlängern sei. Nach den offiziellen Verwaltungsanweisungen muss die Blaue Karte EU also bei Erteilung der Niederlassungserlaubnis weiterhin zurückgegeben werden, obwohl das VG Berlin etwas anderes festgelegt hatte.
Viele ausländische Fachkräfte betroffen
Von dem Urteil sind zehntausende ausländische Fachkräfte in Deutschland betroffen. Laut Statistiken des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab es Ende 2023 etwa 113.500 “ehemalige” Inhaber einer Blauen Karte EU, von denen 76.765 im Anschluss an die Blaue Karte EU die Niederlassungserlaubnis erhielten. Nach der Verwaltungspraxis der Ausländerbehörde müsste allen Inhabern der Niederlassungserlaubnis die Blaue Karte EU entzogen werden. Dies würde für alle 76.765 Fachkräfte eine erhebliche Verschlechterung der Rechtspositionen bedeuten, da ohne die Blaue Karte beispielsweise keine europaweite Mobilität mehr möglich ist. Insofern erkennen andere EU-Staaten zwar die europäische Blaue Karte an, aber nicht die deutsche Niederlassungserlaubnis.
Gefährlicher Trend: Gerichtsurteile im Migrationsrecht werden zunehmend ignoriert
Das Vorgehen der Berliner Verwaltung im Falle der Blauen Karte EU reiht sich ein in eine Liste von rechtsstaatlich bedenklichem Verwaltungshandeln. Erst vor wenigen Wochen hatte das VG Berlin die Zurückweisung von Asylsuchenden ohne eine Prüfung als rechtswidrig eingestuft (VG Berlin, Beschluss vom 02.06.2025 - VG 6 L 191/25). Auch in diesem Fall hatte die Migrationsverwaltung ihre behördliche Praxis nicht geändert, sodass die Zurückweisungen an der polnischen Grenze (trotz des Urteils des VG Berlin) wie zuvor weitergehen.
Fazit
Wieder stellt sich die Migrationsverwaltung also über das Gesetz und missachtet die verfassungsrechtlich vorgegebene Gewaltenteilung. Das Ignorieren höchstrichterlicher Urteile gefährdet die Rechtssicherheit für zehntausende Fachkräfte und wirft Fragen zur Rechtsstaatlichkeit der Migrationsverwaltung auf. Das Vorgehen erinnert an einen besorgniserregenden Trend, wie man ihn etwa aus den USA kennt: Dort kommt es immer wieder vor, dass Ausländer*innen trotz gegenteiliger Gerichtsentscheidungen abgeschoben werden – gestützt auf fragwürdige Verwaltungspraxis. Anders als in vielen dieser Fälle betrifft es in Berlin jedoch keine Schutzsuchenden, sondern eine hochqualifizierte Fachkraft. Mit einer solchen Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze wird Deutschland den Fachkräftemangel kaum bewältigen können.
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